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Stadtwerke und Wohnungswirtschaft: Hand in Hand für Glasfaser und Fernsehen

24. Mai 2023 | Autorin: Lisa Martens, Geschäftsführerin Vivax Consulting GmbH

Stadtwerke und Unternehmen der Wohnungswirtschaft haben in Sachen Strom, Gas und Wärme traditionell eine enge Verbindung. Im Bereich des Glasfaserausbaus und der Versorgung mit Internet, Fernsehen und Co. sind Kooperationen zwischen kommunalen EVU und Immobilienkonzernen jedoch noch nicht flächendeckend üblich. Dabei können beide Seiten von einer Zusammenarbeit profitieren – das richtige Vorgehen vorausgesetzt. Besonders mit Blick auf den Wegfall des Nebenkostenprivilegs im Sommer 2024 sollten Stadtwerke also schon jetzt aktiv auf die Wohnungswirtschaft zugehen.

Dieser Fachartikel ist in der Fachzeitschrift stadt+werk Ausgabe 5-6/2023 erschienen

 

Glasfaser: Stadtwerke und Wohnungswirtschaft
Project Description

Für die kommunalen Versorgungsunternehmen liegen die Vorteile einer Zusammenarbeit mit Unternehmen der Wohnungswirtschaft (WoWi) beim Glasfaserausbau auf der Hand. Nicht nur sind diese zuverlässige und professionelle Geschäftspartner, die auf langfristige Planbarkeit aus sind. Sie sind auch von sich aus am flächendeckenden Glasfaserausbau interessiert – nicht zuletzt, um die Attraktivität ihrer Immobilien gegenüber Mietern zu steigern. So bieten sie Stadtwerken ideale Bedingungen, diesen wirtschaftlich umzusetzen. Denn mit einer hohen Zahl an Kundinnen und Kunden auf relativ kleinem Raum können Planung und Bau, Vertrieb und Marketing äußerst effizient durchgeführt werden. Zudem ergeben sich aus dem gemeinschaftlichen Ausbau mit der Wohnungswirtschaft spannende Synergieeffekte. So haben die bereits mit Highspeed-Internet und ggf. digitalem Kabelfernsehen (DVB-C) ausgestatteten Liegenschaften häufig eine Vorbildwirkung, die auf umliegende Immobilienbesitzer ausstrahlt und diese ebenfalls von einem Vertragsabschluss überzeugt. Und auch für Zukunftsthemen wie Smart Building, Smart Health und Smart City kann hiermit eine wichtige Grundlage geschaffen werden.

Neue Gesetzeslage

Brisanz gewann die Möglichkeit zur Zusammenarbeit von EVU und Wohnungswirtschaft außerdem durch die Abschaffung des Nebenkostenprivilegs. Diese gesetzliche Regelung, die es Vermietern erlaubt, die Kosten für einen Kabelanschluss auf die Nebenkosten umzulegen, läuft zum 30. Juni 2024 aus. Sie müssen nun entweder separate Regelungen mit ihren Mietern finden oder diese ihren Kabelanbieter frei wählen lassen. Den Wohnungsbesitzern wurde aus diesem Grund ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt, um gegebenenfalls vorzeitig aus Kabelverträgen mit langen Laufzeiten herauszukommen. Zeitgleich verpflichtet die 2021 erfolgte Novellierung des Telekommunikationsgesetzes bei Neubauten und Renovierungen zum Glasfaserausbau bis auf Netzebene 4 (im Gebäude). Um diesen FTTH-Ausbau (Fiber to the Home) zu fördern, soll neue Glasfaserinfrastruktur in Gebäuden auch künftig noch für fünf Jahre mit maximal fünf Euro auf die Nebenkosten umgelegt werden können. Nach Erfahrungen von tktVivax sind die Bedingungen für die Weiterberechnung der Kosten allerdings kritisch zu betrachten, weswegen im Einzelfall die Anwendbarkeit geprüft werden sollte. Es sei für Stadtwerken grundsätzlich zu empfehlen, den Ausbau der Netzebene 4 kostenfrei für die Wohnungsgesellschaften durchzuführen. Für die Wohnungswirtschaft entsteht aus dieser Situation somit hoher Druck, schon jetzt Partner zu finden, mit denen sich die gesetzeskonforme Internet- und TV-Versorgung rechtzeitig zum Stichtag umsetzen lässt. Stadtwerke haben für diese Aufgabe beste Voraussetzungen. 

Aus Sicht der WoWi-Unternehmen bieten kommunale Versorgungsunternehmen diverse Vorteile in der Umsetzung. Sie erhalten leistungsstarke und zukunftsfähige Infrastruktur ohne Investitionskosten und bei minimalem Verwaltungsaufwand. Auf diese Weise steigern sie den Wert ihrer Objekte nachhaltig und haben den Vorteil, einen lokalen Anbieter auf Augenhöhe als Partner zu haben. Zudem stellen sie die Bedürfnisse ihrer Mieter zufrieden, denn diese profitieren ebenfalls von der Kooperation. Höchstmögliche Übertragungsraten und eine stabile Internetverbindung sind dabei nur die offensichtlichsten Vorzüge. Beim Ausbau als Open-Access-Netz steht den Bewohnern eine große Auswahl an Internetanbietern zur Verfügung, Anbieter für TV könnten ebenfalls frei gewählt werden – und wird gar kein TV-Anschluss benötigt, entfallen diese Kosten für die Mieter nun völlig. Ein weiterer Vorteil ist die räumliche Nähe der Stadtwerke: Gibt es technische, vertragliche oder sonstige Probleme, sind die lokalen Experten und Servicemitarbeiter nie weit. 

Herausforderungen im Blick behalten

Trotz der zahlreichen positiven Aspekte sollten Stadtwerke die Herausforderungen einer solchen Zusammenarbeit im Blick behalten. Allgemein gilt es, genau zu kalkulieren, ob die hohen Anfangsinvestitionen tatsächlich amortisiert werden können bzw. ob die verhältnismäßig geringen Margen im TV-Bereich ausreichend sind. Im Hinblick auf das Fernsehangebot stellen sich gleich mehrere Fragen: Wie hoch ist die Take-Rate für Basis-TV-Angebote noch, wenn man den Mietern die Wahl lässt? Wie lange wird der DVB-C-Standard hierfür überhaupt noch relevant sein? Sollte man schon jetzt vollständig auf IPTV setzen – auch wenn diese Technologie Tücken für die Mieter haben kann (evtl. müssen neue Endgeräte angeschafft werden, Teletext geht nicht mehr, etc.)? Zuletzt kann auch der Vertrieb, insbesondere der Door-to-Door-Vertrieb, herausfordernd sein. Denn im Gegensatz zu Wohngebieten mit Einfamilienhäusern stellt sich die demografische Zusammensetzung und Einkommensstruktur in großen Wohnobjekten meist deutlich komplexer dar. 

Bevor die Kooperation zwischen Stadtwerk und WoWi-Unternehmen starten kann, muss jedoch zunächst die Entscheidung für ein konkretes Geschäftsmodell gefällt werden. Hier gibt es grundsätzlich großen Spielraum, im Folgenden sollen aber zwei gängige Beispiele vorgestellt werden.

Geschäftsmodell 1: Glasfaser und Koax parallel

Entscheidet sich der jeweilige Kommunalbetrieb dazu, kein Basis-TV anzubieten, bleibt die bereits vorhandene Koaxial-Infrastruktur unangetastet bestehen und das Fernsehsignal kommt weiterhin vom bisherigen Anbieter. Die Glasfaserleitungen werden in diesem Fall von den Stadtwerken parallel auf der Netzebene 4 verlegt. Dies sollte der Erfahrung von Vivax Consulting und der tktVivax Group nach auf jeden Fall kostenfrei und mit Open-Access erfolgen. Ein solches Vorgehen bringt einige Vorteile mit sich, da sich das Glasfasernetz so im Eigentum der Stadtwerke befindet, wodurch diese direkt von hohem Absatzpotenzial und guter Netzauslastung profitieren. Gleichzeitig muss nicht in neue DVB-C-Infrastruktur investiert oder die bestehenden Koaxialkabel instandgehalten werden. Und auch Ärger mit Mietern, die bei ihrem aktuellen Kabelanbieter bleiben möchten, ist so kein Thema. 

Selbstverständlich hat das Geschäftsmodell aber auch Risiken. Die Take-Rate ist bei dieser Variante geringer, die Ausbaukosten jedoch weiterhin relativ hoch. Durch Open-Access gibt es zudem keine Garantie, dass die Mieter sich für die Produkte der Stadtwerke entscheiden. Außerdem sorgt die parallele Vertragsbeziehung mit dem jeweiligen Koax-Anbieter für organisatorischen Mehraufwand und Unsicherheit auf Seiten der Wohnungswirtschaft. 

Geschäftsmodell 2: Basis-TV über Glasfaser

Möchte das EVU die Wohnungswirtschaft auch mit linearem Fernsehen (also „Live“-Fernsehen, das typische DVB-C Basis-TV) versorgen, ist dies über das neu ausgebaute Glasfasernetz möglich. Hierbei gibt es zwei Möglichkeiten, wie das TV-Signal zum Endgerät gelangt. Für die erste Variante werden die bestehenden Koax-Kabel im Gebäude gar nicht mehr genutzt. Stattdessen werden in jeder einzelnen Wohneinheit sogenannte ONT-Geräte (Optical Network Termination) installiert, die das Lichtsignal aus der Glasfaser umwandeln und für die Fernsehgeräte nutzbar machen. Bei der zweiten Variante wird hingegen nur ein solches ONT-Gerät pro Gebäude verbaut, in der Regel im Keller. Den Rest des Weges legt das TV-Signal über die vorhandene Koaxial-Infrastruktur zurück, die somit weiter genutzt wird. 

Beide Möglichkeiten zeichnen sich dadurch aus, dass aufgrund der geringeren Konkurrenz ein enormes Absatzpotenzial besteht und sich eine besonders hohe Netzauslastung erreichen lässt, was wiederum höhere Einnahmen bedeutet. Dank Open-Access haben die Mieter zudem weiterhin die Freiheit, bei ihrem bisherigen Basis-TV-Anbieter zu bleiben. Die WoWi-Unternehmen profitieren des weiteren davon, einen zentralen Ansprechpartner für Internet und Fernsehen zu haben. Frei von Herausforderungen ist das zweite Geschäftsmodell natürlich nicht. Die Anfangsinvestitionen sind hier noch höher, die Margen für TV-Produkte aber weiterhin gering. Möglichst effiziente Prozesse sind also absolute Grundvoraussetzung. Einzelne Mieter können zudem aufgrund der veränderten Situation bezüglich ihres TV- und Internet-Anbieters unzufrieden sein und zur Konkurrenz wechseln – insbesondere, wenn diese ein günstigeres Angebot macht. 

Flexible Vorgehensweise

Doch auf welches Geschäftsmodell sollten sich Stadtwerke nun konkret festlegen? Die Antwort hierauf lautet: Keines. Anstatt sich starr auf eine „richtige“ Vorgehensweise zu fokussieren, empfiehlt es sich, flexibel zu bleiben. Da die Anforderungen jedes WoWi-Unternehmens, abhängig von seiner Mieterstruktur, seinem Gebäudestand und anderen Faktoren, sehr unterschiedlich ausfallen können, müssen Kommunalbetriebe von Fall zu Fall entscheiden, welche Maßnahmen sich wie am besten umsetzen lassen. Eine grundsätzliche Prozessschablone dafür sieht wie folgt aus: Im ersten Schritt sollten Stadtwerke den direkten Kontakt zur Wohnungswirtschaft in ihrem Einzugsgebiet suchen – häufig besteht dieser bereits durch andere Kooperationen. Parallel hierzu startet die Analyse der individuellen Situation auf Basis der Auskünfte der Unternehmen und der Daten der Stadtwerke. Anschließend können sowohl eine Roadmap, an der sich alle weiteren Planungs- und Ausbauschritte orientieren, als auch konkrete Produkte für Internet und TV entwickelt werden. Steht dieses Gerüst, sollten zielführende Verhandlungen schnell zu einem Vertragsabschluss führen und der Ausbau kann planmäßig starten. 

Spätestens am 30. Juni 2024 müssen dann alle Gebäude in Betrieb genommen werden, um Versorgungslücken bei den Mietern zu verhindern. Damit dieser straffe Zeitplan – Stand heute noch etwa 15 Monate – gelingen kann, ist es unabdingbar, dass interessierte Stadtwerke bereits jetzt die ersten Schritte einleiten. Insbesondere, da die traditionellen Kabelnetzbetreiber, aber auch große Internetanbieter, zurzeit verstärkt mit attraktiven Angeboten auf die Wohnungswirtschaft zugehen, muss schnell gehandelt werden. Unterstützung hierfür finden sie bei externen Partnern wie Vivax Consulting und der tktVivax Group.
 

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